published in O-Ton on November 28, 2019
by Michael S. Zerban
Da ist dem Tanzhaus NRW in Düsseldorf ein kleiner Coup gelungen. Rechtzeitig eine Woche vor dem Festival Funkin‘ Stylez – einem Urban Dance Battle – präsentiert sich Fabien Prioville mit einer neuen, zum Thema passenden Choreografie im Großen Saal des Hauses an der Erkrather Straße. Unter power moves versteht man die Bewegungen beim Hip-Hop, bei denen sich der Tänzer schnell auf dem Rücken oder Kopf dreht. Und so hat Prioville auch das knapp einstündige Werk benannt, das jetzt zur Uraufführung kommt.
Der Choreograf, der in Frankreich Tanz studierte, ab 1999 am Pina-Bausch-Tanztheater in Wuppertal mitarbeitete und inzwischen seine eigene Compagnie in Düsseldorf hat, die eng mit dem Tanzhaus NRW kooperiert, geht mit Power Moves einen neuen Weg. In den vergangenen Jahren setzte er sich vor allem mit den Auswirkungen auseinander, die moderne Kommunikationsmedien auf zwischenmenschliche Prozesse haben.
Jetzt hat er fünf hochkarätige Hip-Hop-Tänzer aus Südost-Asien und Europa um sich versammelt, um sich mit den unterschiedlichen Ausdrucksformen des ursprünglichen Straßentanzes zu beschäftigen. Bewusst hat er dabei Spezialisten eingeladen, um mögliche Gegensätze und Extreme zu entdecken. Shanice Elisazbeth Kwok aka Lady Bird hat sich auf das locking fokussiert, bei dem der Tänzer aus einer schnellen Bewegung heraus in einer bestimmten Position blockiert. Unter popping vermag man sich nicht direkt etwas vorzustellen, aber wenn man den Begriff moonwalk hört, weiß jeder, was gemeint ist. Darauf hat sich Paris Crossley spezialisiert. Ong Xing Khai aka Te Double Dy Teddy, der sich eher als Grenzgänger zwischen den einzelnen Disziplinen versteht, setzt sich vor allem dafür ein, die Geschlechterstereotype in der Tanzkunst aufzubrechen. Der Breakdancer, der als „best B-boy“ in Malaysia aufmischte, ist Mohammad Farid Bin Mohd Yasin alias Khenobu. Längst ist er auf internationalen Bühnen unterwegs. Vladislav Buravzev schließlich studierte an der Folkwang-Uni in Essen und entwickelte noch einmal einen ganz eigenen Stil.
Fünf ganz eigene Persönlichkeiten müssen also zu einer Gesamtchoreografie zusammenfinden. Die Bühne ist dunkel. Der Vorhang geht auf. Knarzende Turnschuhe und das typische Geräusch offener Schnürsenkel, die über den Fußboden schleifen, sind zu hören. Tobias Heide, der insgesamt für immer wieder schöne und adäquate Effekte in Weißlicht sorgt, dreht langsam das Licht auf, und zum Vorschein kommen die fünf Tänzer, die sich zunächst im Gleichschritt kreisförmig über die leere Bühne bewegen. Prioville baut seine Choreografie ähnlich einem battle auf. So wird der gemeinsame Tanz mehrerer Hip-Hop-Tänzer genannt, die sich sowohl wie in einem Wettbewerb zueinander bewegen als auch zu Gruppen zusammenfinden. Zwischendurch bekommen die einzelnen Teilnehmer Gelegenheit für Soli. Herausragend, vor allem für das Publikum an diesem Abend, ist der Einsatz von High-Heels. Sowohl wenn die Männer darin auftreten als auch, wenn die Damen die hohen Absätze übernehmen. Und wenn Buravzev mit scherenschnittartigen Handbewegungen seine einzigartige Choreografie aufführt, findet das Publikum das außerordentlich komisch.
Man kann an diesem Abend viel über die verschiedenen Disziplinen des Hip-Hops lernen und sieht hier sicher auch eine Auswahl der Besten der Welt, die ihre Stile präsentieren. Untermalt wird der Abend von verschiedenen Klangteppichen wie einer englischsprachigen Erzählung zu Beginn oder musikalischen Einlagen. Das dröhnt von der Festplatte und gefällt dem Publikum.
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